Der erste Stern: 48. Berlin Marathon 2022

Nach fast einem Jahr Verletzungspause und 16 intensiven Vorbereitungswochen war es endlich soweit: Am 25.09.2022 fand der 48. BMW Berlin Marathon statt. Lange hatte ich auf diesen grossen Moment hin gefiebert: Einmal im Leben mit dem grossen Eliud Kipchoge einen Marathon zu bestreiten. Es sollte heute Eliud`s neuer Weltrekord mit 2h1min9Sekunden und für mich ein weiteres Learning werden.

Die Vorfreude und die Anspannung sind während diesen Tagen in Berlin überall deutlich spürbar. Man begegnet den LäuferInnen aus aller Welt bereits am Flughafen oder im Hotel und sieht die nervösen letzten Trainings frühmorgens auf dem Gehsteig beim Kaffee. Die Atmosphäre und das Rahmenprogramm vor diesem Gross Anlass sind einzigartig und vom Organisator SCC Events perfekt orchestriert.

Am Renntag auf dem Startgelände kann man dann erstmals die Dimensionen dieses Marathons mit 45`000 TeilnehmerInnen in sich aufsaugen und die teilweise verbissenen MitstreiterInnen in Ihrer unmittelbaren Rennvorbereitung beobachten. Von lustigen und kuriosen Outfits, intensivsten Aufwärmübungen und Streching à gogo, der Meditation am Boden oder Kraftnahrung reinstopfen bis zum E-Shisha rauchen ist alles dabei. Die Stimmung ist dementsprechend gigantisch. Ganz zu schweigen von der Sauerei, wenn diverse Personen sich quasi direkt vor Deinen Augen entblössen und im Berliner Tiergarten schamlos Ihre Notdurft verrichten, weil sich vor den WCs kilometerlange Schlangen bilden.  Ja, Laufen hat zumindest auch etwas animalisches an sich.

45`000 Läuferinnen aus über 150 Nationen fieberten dem Start um 09.15h entgegen und es dauerte eine ganze Weile, bis man die Startlinie endlich passieren konnte. Das Feld war dicht gedrängt und die ersten 5 Kilometer vergingen wie im Fluge. Ruhig bleiben, sich zurücknehmen und den eigenen Rhythmus finden, war das oberste Ziel. Das Gedränge blieb aber permanent bis ins Ziel bestehen und bei den ersten Wasserstellen gab es bereits die ersten Stürze und unschönen Szenen. Darum selber die Ellenbogen ausfahren. Überall Wasserbecher am Boden und es wurde rutschig. Später hat man leider erfahren, dass es gemäss Veranstalter lediglich ca. 34`000 LäuferInnen ins Ziel geschafft haben. Im Laufe des Rennens sieht man immer wieder Personen, die eigentlich keinen Marathon laufen sollten und dann von den Streckenposten, teilweise auf der Bahre, abtransportiert wurden oder sich blutverschmiert irgendwie noch auf den Beinen halten wollten und von anderen LäuferInnen ins Ziel getragen wurden. Laufen kennt keine Grenzen und verbindet irgendwie.

Bei Halbzeit war ich gut auf Kurs, mein Ziel von 3h30 min zu erreichen. Durch die etwas kurze Vorbereitungszeit nach der langen Verletzungspause hatte ich von Anfang an nicht die Ambition auf eine neue PB, sondern wollte einfach einen soliden Lauf abliefern und die Medaille mit der Gravur von Eliud Kipchoge mit nach Hause nehmen. Plötzlich ging es los mit fiesem Seitenstechen und massiven Schmerzen im linken Fuss. Wenn das bloss nicht zu einer Verletzung respektive einer erneuten Plantarfasziitis führt. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man seine täglichen Kilometer auf weichem und gemischten Untergrund absolviert oder dann die Hammerschläge im Marathon auf hartem Asphalt einkassiert. Mein Einsehen kam daher relativ schnell: Es ist im wahrsten Sinne des Wortes gelaufen. Also, Tempo raus und geniessen, ich will ja schliesslich nicht wieder 10 Monate verletzt sein. Nach drei Jahren ohne jegliche Rennerfahrung habe ich auch ein bisschen an mentaler Härte eingebüsst. Trotzdem konnte ich den Lauf fortsetzen und wusste, dass ich auch mit den auftretenden Problemen sicher unter 4 Stunden finishen kann. Das eigene Verpflegungskonzept war erneut solide und ist auch dieses Mal gut aufgegangen.

Darum habe ich dann andere LäuferInnen auf der Strecke motiviert, als diese aufgeben wollten. Ein Foto bei Km39 musste ebenfalls noch sein, man hat ja bei der Anmeldung das Fotopaket mitgebucht.

Nach dem Zieleinlauf war ich glücklich, meinen ersten Finisher-Star der Abbott World Major Marathon Serie erreicht zu haben. Viele schöne Eindrücke und Learnings konnte ich sammeln, die mir helfen werden mein Training weiter zu optimieren und künftige Marathons auch im Ausland erfolgreich zu absolvieren. Durch die strukturierte und gute Vorbereitung waren auch die Nachwehen wie Muskelkater gut verkraftbar und kein Vergleich mehr zu früheren Jahren. Ein guter und strukturierter Aufbau zahlt sich eben doch aus. Nun heisst es aber erstmal Pause machen, regenerieren und neue Ziele für 2023 definieren.

Danke Berlin, es war einzigartig und bleibt unvergesslich. Ich bin stolz, jetzt auch eine #berlinlegend zu sein!

Michael Sommmer