Der 2. Stern am 45. Bank of America Chicago Marathon

Vorgeschichte und Vorbereitung

Nach einer kurzen Erholungsphase nach dem Paris Marathon und den noch immer etwas angeschlagenen Achillessehnen, ging es direkt in die Vorbereitung für Chicago. Es folgten die heissen Sommermonate und ich wollte mir genug Zeit geben um meine Verletzungen auszuheilen, besuchte fleissig die Physiotherapie und absolvierte viele langsame Läufe im kühlen Wald. Mein strukturierter Plan umfasste dann die unmittelbare 16-wöchige Vorbereitung. Vier Zyklen mit jeweils drei Wochen Aufbau gefolgt von einer Woche Recovery mit ca. 80-90 Wochenkilometern, davon immer ein Intervalltraining, ein Long Run und viele langsamere Einheiten auf diversen Untergründen wie Asphalt, Waldwegen oder Laufbahn. Die Vorbereitung lief grundsätzlich gut, abgesehen dass einige Einheiten infolge der beruflichen Belastung ausfallen mussten. Etwa zwei Wochen vor dem Marathon drehte das Wetter auf kalt und ich habe mich trotz guter Kleidung erkältet. Es breitete sich plötzlich ein hartnäckiger Husten aus, der nicht mehr wegging. Der Arzt meinte, dass die Entzündungswerte in Ordnung seien und die Lunge sauber arbeite und gab mir diverse Medikamente mit. Mit dem “grünen Licht” war ich also startklar, zwar nicht optimal, aber startklar.

Der 45. Bank of Amerika Chicago Marathon

Bei jedem Marathon setze ich mir diverse Ziele: Erstens ist immer “ankommen” das Hauptziel, gefolgt von meinen diversen Zeitzielen. Aber eigentlich ist das erste Ziel immer, dass man es überhaupt gesund an die Startlinie schafft. Auf ein genaues Datum auf den Punkt hin bereit zu sein erfordert neben gutem Training auch einiges an Erfahrung. Bei internationalen Grossanlässen wie einem Major Marathon kommen dann noch viele weitere externe Faktoren wie Zeitverschiebung, Reisestress oder fremde Ernährung hinzu. Darum: Immer cool bleiben und die Erwartungen dämpfen. Neben kurzen Nächten und Müdigkeit ging es also los und der Sonntagmorgen des 8. Oktober 2023 sollte es so richtig in sich haben. Der Start war um 07.30h, also relativ früh. Um in den Startblock zu gelangen, habe ich praktisch 2 Stunden gebraucht. Alle 48`500 Teilnehmer wurden rigoros kontrolliert und vor den WC`s waren die Warteschlangen extrem lang. Endlich ging es dann los in der “windy” City, denn es war tatsächlich sehr frisch an diesem Morgen.

Das spannende und faszinierende am Marathon ist, dass Du so gut trainieren kannst wie Du willst, Dein Tapering optimieren und die Vorbereitung überall optimieren, priorisieren und trotzdem kann in einem Augenblick alles vorbei sein. Denn es gibt immer noch diverse Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Einer davon ist zum Beispiel der Magen. Nach 8km machten sich Krämpfe bemerkbar und mit Not habe ich es aufs DIXIE-Klo geschafft. Da wusste ich bereits, es würde ein sehr, sehr langer Tag werden und das Zeitziel war in weite Ferne gerückt. Die nächsten zwei WC Stops habe ich dann keine Toilette mehr gefunden, sondern musste durch die johlenden Zuschauer irgendwo in eine Seitengasse rennen und mich hinter einem Container verstecken. Das eigene Schamgefühl derart überwinden zu müssen hat mich aber angestachelt, den Marathon zu beenden, koste es was es wolle. Ziel Nummer 1 mit “ankommen” war definitiv gesetzt.

Nach der Halbzeit ging auch plötzlich keine Nahrung sprich keine Gels mehr rein, sondern alles kam retour. Dabei wären Kalorien jetzt sehr wichtig gewesen, denn die körpereigenen Glycogenreserven gingen langsam zur Neige. Der berüchtigte Zustand der “Mann mit dem Hammer” wenn man gegen eine Wand rennt weil die Kohlenhydratreserven zu Ende sind und der Körper auf Fettverbrennung umstellt war jetzt quasi mein Dauerzustand für die nächsten 21 km. Alles, was ich noch machen konnte, war nochmals Tempo rausnehmen und quasi mit den eigenen Fettreserven und schön im sanften aeroben Bereich zur Ziellinie schleichen. Und so habe ich in Chicago eine harte Lektion gelernt, möchte dies aber nicht missen.

Meine Erfahrung hat mir extrem geholfen, den Lauf zu beenden, denn muskulär war alles in bester Ordnung. Diesen Lauf habe ich zum ersten Mal in Vimazi Laufschuhen absolviert und bin weiterhin begeistert, denn auch nach dem Lauf hatte ich keinen Muskelkater oder Schmerzen. Und so freue ich mich, dass der zweite Stern Realität geworden ist. Die Reise zum Six-Star Finisher ist noch lang und es gibt noch viele neue Chancen in der Zukunft. Fazit: Entweder man gewinnt, oder man lernt.

Jetzt ist erstmal Erholung angezeigt und dann folgt die neue Aufbauphase für 2024. Anfang März ist der Tokio Marathon und somit Stern Nummer drei in Reichweite.

Michael Sommmer